Ingelheimer Ausstellung dokumentiert Kriegsalltag
[01.08.2014] – „Schont Kleider! Spart Schuhe! Geht barfuß! Kein Stück Kleidung darf nutzlos und unverwertet verkommen! Jedes noch so wertlos erscheinende Stück kann und muß durch geschicktes Umarbeiten für die Allgemeinheit verwertet werden!“ ist da auf einem Zeitungsausschnitt zu lesen.In diesem Jahr jährt sich der Beginn des „Großen Krieges“ zum 100. Mal. An vielen Orten hat die Aufarbeitung der Ereignisse begonnen. So auch in Ingelheim. In der Ingelheimer Rathausgalerie ist noch bis zum 22. August die Ausstellung „Krieg findet nicht nur an der Front statt“ zu sehen. Sie stützt sich neben der kollektiven Erinnerung an den Ersten Weltkrieg vor allem auf die regionalen und lokalen Erfahrungen der Menschen. „Im Fokus steht der Alltag in der Kriegszeit“, so Nadine Gerhard, Archivarin der Stadt Ingelheim. Mit ihrem Team hat sie bislang ungesichtete Dokumente aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zusammengetragen. Neben zahlreichen Einzelarchivalien sind in der Ausstellung auch viele Exponate von Ingelheimer Bürgerinnen und Bürger zu sehen. Die wichtigste Fragestellung in der mehrmonatigen Vorbereitungszeit war: „Was hat der Krieg mit den Ingelheimer Gemeinden gemacht?“ Nadine Gerhard war es wichtig, Einzelschicksale in den Mittelpunkt zu stellen, den Alltag der Kriegszeit und der eingezogenen Soldaten darzustellen. So widmet sich die Ausstellung Themen wie Mobilmachung, Einquartierung, Finanzierung des Krieges oder der Ausgabe von Lebensmittelkarten.
Zeitungsaufrufe, die die entbehrungsreichen Kriegsjahre dokumentieren finden sich neben Ordnern, in denen der Besucher auf Feldpostkarten direkte Eindrücke vom Leben an der Front erfahren kann. Es sind Bilder von Lazaretten in der Pestalozzischule und im Haus Burggarten und Listen von Ingelheimer Kriegsteilnehmern zu sehen. In Vitrinen stehen Reservistenkrüge, Auszeichnungen wie das Eiserne Kreuz oder die Hessische Tapferkeitsmedaille. Viele Dokumente finden sich thematisch geordnet als Digitalisate auf 68 großformatigen Tafeln. Sie verdeutlichen, wie entbehrungsreich die Kriegsjahre waren. An der Front litten und starben die Soldaten, in der Heimat litt die Bevölkerung an Hunger, Entbehrungen und Sorge um ihre Angehörigen.
2063 Ingelheimer, das sind 47 Prozent der männlichen Bevölkerung, wurden zu Kriegsdienst eingezogen. 330 von ihnen sind gefallen, vermisst oder an den Folgen von Kriegsverletzungen gestorben. Das Leben zu Hause, in den Fabriken und auf den Feldern, mussten Frauen, ältere Bürger und Kinder aufrecht erhalten.
Dem Archivteam der Stadt Ingelheim ist damit eine ganz besondere Aufarbeitung vieler bislang ungesichteter Dokumente gelungen.