Seit dem Wochenende sind im Alten Rathaus wieder die Internationalen Tage zu Gast. Die Kunstinitiative von Boehringer Ingelheim widmet sich in diesem Jahr den Künstlern Lyonel Feininger und Alfred Kubin.
„Ich bin vielmehr Träumer, Weltängstling – wie Sie“, schreibt Alfred Kubin an Lyonel Feininger und gibt damit einer Verbundenheit Ausdruck, die man auf den ersten Blick zwischen zwei so unterschiedlichen Künstlern wie Lyonel Feininger und Alfred Kubin nicht vermuten würde. Was den gemeinhin als kühlen und klaren Bauhaus-Meister bekannten Feininger mit dem dämonischen und groteksten Zeichner Kubin verbindet, zeigt die Ausstellung im Alten Rathaus in herausragender Weise. Sie basiert auf einem Briefwechsel zwischen Feininger und Kubin, aus der sich eine Künstlerfreundschaft entspann. „Sie treffen sich in ihrer gemeinsamen Korrespondenz als Seelenverwandte“, weiß Dr. Ulrich Luckhardt, Kurator der Internationalen Tage Ingelheim.
Mit Hilfe des Briefwechsels aus den Jahren 1912/1913 ist es Ulrich Luckhardt gelungen, die künstlerischen Wege beider nachzuzeichnen: „Die Briefe enthalten nicht nur Informationen über die allgemeinen Weltanschauungen und künstlerischen Standpunkte der Briefpartner, sondern geben auch tiefe Einblicke in zwei unterschiedliche, aber auch gleichsam introvertierte Künstlerpersönlichkeiten.“
Feininger und Kubin begegnen sich zuerst durch ihre Kunst, werden ihre Werke doch zur gleichen Zeit in den Zeitschriften „Der liebe Augustin“ und „Licht und Schatten“ veröffentlicht. So verwundert es nicht, das Kubin Kontakt aufnahm und Feininger seine Bewunderung zeigt. „Von den heutigen Zeichnern schätze ich Sie ganz besonders …“, beginnt Kubin seinen ersten Brief – und dergleichen Wertschätzung erfährt er auch in der zwei Tage später verfassten Antwort. „Es ehrt mich ungemein, dass Ihnen daran liegt, eine Zeichnung von mir zu besitzen; ich, meinerseits, bin schon seit Jahren ein warmer Verehrer Ihrer Arbeit …“, schreibt Feininger zurück.
Aus dieser ersten Annäherung entwickelt sich ein intensiver Briefwechsel und Bildertausch. Rund 50 Briefe sollen in den nächsten zwei Jahren folgen. Ein Austausch, der beide Künstler maßgeblich prägen und ihrem eigenen Stil näher bringen soll.
Bedingt durch den Ersten Weltkrieg bricht der Kontakt zwischen den beiden Künstlern weitgehend ab. Nach dem Krieg führen sie ihren Briefwechsel nur noch sporadisch weiter, sie haben sich in zu unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt. Während Kubin sich als vielbeachteten Buchillustrator einen Namen macht, legt Feininger endgültig den „Mantel“ des Zeichners ab und entdeckte seinen ihm eigenen Malstil.
Die Ausstellung in Ingelheim folgt diesem kreativen Prozess und zeigt Exponate aus den entscheidenden Phasen im Leben beider Kunstschaffenden, beginnend mit den frühen Zeichnungen Kubins und den kommerziellen Zeichnungen Feiningers.
So sind Frühwerke Alfred Kubins zu sehen, die man als eine Verbildlichung der Psychologie Sigmund Freuds verstehen kann – Dämonen, schaurige Ereignisse prägen seine frühe Schaffensperoide. Lyonel Feininger hingegen hat sich in seinen frühen Jahren den Karikaturen verschrieben.
Die Ausstellung zeichnet die künstlerischen Wege der beiden Künstler über einen Zeitraum von 15 Jahren nach, greift dabei viele ihnen gemeinsame Themen auf.
Bindeglied aller Werke ist ihr Briefwechsel, der im Katalog zur Ausstellung erstmals vollständig veröffentlicht wird; wissenschaftlich bearbeitet und kommentiert von Roland März.
Die Internationalen Tage sind eine Kunstinitiative von Boehringer Ingelheim, die sich seit 1959 alljährlich im Rahmen einer Ausstellung und einem Begleitprogramm einem künstlerischen Thema widmet.
Die Ausstellung ist bis zum 2. August im Alten Rathaus, François-Lachenal-Platz 1, in Ingelheim zu sehen. Vom 4. September bis 10. Januar wird sie in der Albertina in Wien gezeigt.
Weitere Informationen unter www.internationale-tage.de.
Öffnungszeiten in Ingelheim: Di – Fr 11 – 19 Uhr; Sa, So und Feiertage 11 – 18 Uhr.