April
Eisenbahn förderte den Obstanbau im Rheinknie
Mit dem April kommen die ersten Sonnenstrahlen und allenthalben erwarten die Menschen die Obstblüte! Apfel, Sauerkirsche, Zwetsche, Süßkirsche, Mirabelle, Birne, Strauchbeere, Erdbeere – die Liste der in Rheinhessen angebauten Obstsorten ist lang. Begünstigt durch das milde Klima sind diese Obstsorten schon seit Jahrhunderten in dieser Region heimisch, aber erst der Eisenbahnbau in der Mitte des 19. Jahrhunderts machte aus den Feldern zwischen Mainz und Bingen ein aufstrebendes Obstanbaugebiet.
So eröffneten sich im Jahre 1859 mit dem Bau der Ludwigsbahn von Mainz nach Bingen und der Integration der Bahnstecke in das preußische Eisenbahnnetz ganz neue Transport- und Absatzmöglichkeiten für Obst und Gemüse. Die Nachfrage – insbesondere nach Spargel und Kirschen – stieg sprunghaft an und die Landwirte reagierten darauf: Statt Getreide und Kartoffeln bauten sie nun vorwiegend Obst und Gemüse an.
Die Idee: Ein ständiger Obstmarkt
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründete sich der Obst- und Gartenbauverein Ingelheim. Er erwies sich von Beginn an als leistungsfähiger Partner der Ingelheimer Landwirte. Im April 1907 stellte er auf einer Bürgerversammlung seine Idee zu einem ständigen Obstmarkt für Ober-Ingelheim und Nieder-Ingelheim vor. Dabei orientierten sich der Verein an den schon bestehenden Obstmärkten in Freinsheim und Brühl. Die Idee stieß auf offenen Ohren! Mit Bürgermeister Saalwächter und dem Nieder-Ingelheimer Gemeinderat fand der Verein tatkräftige Mitstreiter. Die Mittel zur Errichtung einer „Obst- und Spargel-Markthalle“, rund 14000 Mark, wurden bewilligt und ein geeigneter Standort war bald gefunden! In der Binger Straße, ein Stück unterhalb der Einmündung zur Grundstraße, sollte die Markthalle entstehen. Der Bau schritt zügig voran und schon am 25. Juli 1909 konnte die Ingelheimer Markthalle eingeweiht werden.
Schlange stehen an der Obstannahme
Die neue Annahmestelle für Obst und Gemüse wurde von der Bevölkerung gut angenommen! Mit ihren Leiter- und Pritschenwagen brachten die Ingelheimer Landwirte und Nebenerwerbsbauern ihre täglichen Ernteerträge zur Markthalle. In den Sommermonaten bildeten sich allabendlich lange Schlangen vor dem Gebäude, denn die Anlieferung von Obst war enorm. Inzwischen zählte der Obstbau zählt zu den Haupterwerbsquellen der Ingelheimer Gemeinden. Allein im Jahre 1912 wurden im Ingelheimer Bahnhof 828.890 Kilogramm Obst und Gemüse verladen.
Schon bald stellten die Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins Ingelheim fest, dass die 350 Quadratmeter große Markthalle für die riesigen Mengen Obst zu knapp bemessen war. Glücklicherweise ergab sich die Gelegenheit, das links angrenzende Anwesen anzukaufen – und schon drei Jahre später konnte der erfreulichen Entwicklung des Marktes Rechnung getragen und die Markthalle erweitert werden.
Gemeinsam mit Gau-Algesheim und Heidesheim
In einer Versammlung beschloss der Verband der Obst- und Gartenbauvereine des Kreises Bingen am 6. Juli 1927 den Zusammenschluss der Obst- und Gemüsemärkte von Ingelheim, Gau-Algesheim und Heidesheim zur Obst- und Gemüseverwertungsgesellschaft Ingelheim und Umgebung – im Interesse einer guten Weiterentwicklung der Obstverwertung der ganzen Gegend. Im Zuge dieser Vereinigung wurde eine neue, gemeinsame Markthalle am Ingelheimer Bahnhof gebaut, die mit einer großen Gratulationscour am 8. Juli 1929 eingeweiht wurde.