Kaiserpfalz und kaiserliche Frauenpower

Januar

Auf unserem Januar-Kalenderblatt ist das Heidesheimer Tor zu sehen. Es ist der östliche Gebäudetrakt der Ingelheimer Kaiserpfalz. Heute sind nur noch Reste des einst stattlichen Gemäuers zu sehen. Im Mittelalter aber erstrahlte die Kaiserpfalz noch in all ihrem Glanz – schließlich weilte die Kaiser mit ihrem Gefolge häufig in der prächtigen Pfalzanlage. Die Herrscher des Mittelalters waren Reise-Kaiser, sie hatten keine feste Hauptstadt, sondern zogen zwischen ihren Pfalzen umher. An dem Ort, an dem der Kaiser weilte, war der Mittelpunkt des Reiches!

Das Heidesheimer Tor ist ein Teil der Ingelheimer Kaiserpfalz.
Das Heidesheimer Tor ist ein Teil der Ingelheimer Kaiserpfalz.

Im November 1043 wird sogar Hochzeit gefeiert und die Ingelheimer Pfalz glänzt im Scheine unzähliger Fackeln. Im großen Königssaal, der Aula regia, sitzt die Hochzeitsgesellschaft beisammen und prostet dem frisch vermählten Kaiserpaar zu. Heinrich III., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches strahlt die junge Frau an seiner Seite an. Es ist die französische Herzogstochter Agnes von Poitou. Zwar wird ihre Ehe aus machtpolitischen Gründe geschlossen – sie soll den burgundischen Besitz festigen – aber es ist davon auszugehen, das sich die Eheleute auch menschlich sehr nahe standen.

Eine gläubige und starke Kaiserin
Agnes von Poitou! Widmen wir unsere Kalender-Geschichte dieser Frau, die die Geschichte meist nur als Gemahlin Kaiser Heinrichs III. kennt. Aber wer war die Frau, die 13 Jahre als Königin und Kaiserin an der Seite Heinrichs III. stand und und sechs Jahre lang für ihren unmündigen Sohn Heinrich IV. das Heilige Römische Reich Deutscher Nation regierte?
In der Historie wurde Agnes lange Zeit als schwache Regentin gesehen, jüngere Forschungen jedoch zeigen ein neues, ein selbstbewusstes Bild der Kaiserin.
Agnes von Poitou wird 1025 als Tochter des Herzogs Wilhelm V. von Aquitanien und Agnes von Burgund geboren. Ihr Vater, streng gläubig und an Wissenschaften interessiert, holt viele berühmte Kleriker an seinen Hof. Agnes partizipiert von diesen geistigen und wissenschaftlichen Einflüssen. Sie ist eine gebildete,  junge Frau, als sie 18-jährig mit König Heinrich III. verlobt wird. Auch ihr Gemahl Heinrich, am 28. Oktober 1017 als Sohn Salier-Kaisers Konrads II. geboren, folgt strengen geistigen und religiösen Werten.
Da beide eine gute Ausbildung und eine streng gläubige Erziehung erfahren haben, werden sicherlich auch politische Entscheidungen zwischen den Eheleuten diskutiert. So lässt beispielsweise Heinrichs Übernahme der französischen „Treuga Dei“ (Waffenruhe Gottes), ein religiös motiviertes auf bestimmte Tage begrenztes Fehdeverbot, auf Agnes’ Einfluss schließen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass Agnes ihren Mann in der sakralen Herrschaftsauffassung seines Amtes inspiriert und ihm die Gedanken kirchenreformistischer Bewegungen nahe gebracht hat.
Dazu muss man wissen, dass Agnes‘ Erziehung von freien, fortschrittlichen Gedanken geprägt war, schließlich trug ihre Familie mit der Gründung des Klosters Cluny in Gang dazu bei, dass sich Reformbewegungen zur weltlichen und geistlichen Unabhängigkeit der Klöster von Aquitanien aus über das ganze christliche Europa ausbreiteten. Diese Reformbewegung zur weltlichen und geistlichen Unabhängigkeit der Klöster, die Agnes‘ Familie mit der Gründung des Klosters Cluny in Gang setzte, breitete sich im 11. Jahrhundert über das ganze christliche Europa aus.

Agnes – Kaiserin, Mutter und Regentin
Nach außen wird die Politik des Heiligen Römischen Reiches durch den starken Kaiser Heinrich III. geprägt, als Frau steht Agnes politisch im Hintergrund. In der Öffentlichkeit obliegt es ihr, zu repräsentieren –  als Kaiserin und Mutter des Thronerben Heinrich IV. und weiterer vier Kinder namens Mathilde, Judith, Adelheid und Konrad.
Doch Heinrich III. stirbt früh. Als er im Oktober 1056 zu Grabe getragen wird, lastet auf Agnes die von Heinrich III. bestimmte vormundschaftliche Regierung für ihren bereits zum König gekrönten sechsjährigen Sohn Heinrich IV. Nun leitet sie an ihres Sohnes statt die Regierungsgeschäfte und versteht es, zwischen den Bischöfen und dem weltlichen Adel zu vermitteln. Agnes bringt Stabilität ins Reich. Mit viel diplomatischem Geschick gelingt es ihr, die rebellischen Sachsen zu befrieden – und sie schafft Ruhe an den östlichen Grenzen.
Ein politischer Gegner ist der Kölner Bischof Anno. 1062 gelingt es ihm, beim so genannten „Staatsstreich von Kaiserwerth“ den jungen König Heinrich IV. zu entführen und so Agnes de facto ihrer Regierungsgewalt zu berauben. Aber Agnes zeigt weiterhin selbstbewusste Präsenz im Reich, ernennt Bischöfe und verwaltet die salischen Güter. Damit sichert sie das salische Haus und den Thron für ihren Sohn bis zu seiner Schwertumgürtung am 29. März 1065.
Nach der Volljährigkeit ihres Sohns nimmt Agnes den Schleier und tritt in ein Kloster nahe Rom ein. Dort widmet sie sich bis an ihr Lebensende der Kirchenreform und agiert als diplomatische Mittlerin zwischen den Päpsten und ihrem Sohn. Agnes stirbt am 14. Dezember 1077 in Rom. Sie wird in einer Seitenkirche des Petersdoms beigesetzt.