Religion und Mystik bildeten die spirituellen Grundlagen, unter denen sich allein stehenden Frauen und Witwen ab dem 12. Jahrhundert in vielen Städten auf Beginenhöfen zusammenschlossen, um ohne Ordenszugehörigkeit ein gemeinschaftliches Leben zu führen.
Von Flandern aus fasste die Beginenbewegung über das Rheinland kommend auch in Deutschland sehr schnell Fuß. Bevorzugt in Städten entstanden überall im mittel-, süd- und osteuropäischen Raum Beginenhöfe. Besonders das aufgeschlossene Köln zog viele Beginen an. Dort lebten bereits 1223 annähernd 2000 Beginen auf 22 Beginenhöfen. Auch in unserer Region wirkten die Laienschwestern. Urkundlich nachgewiesen sind sie in Worms, Mainz, Hochheim, Bad Kreuznach, aber auch in Gau-Algesheim und Ingelheim. In Mainz werden die Beginen erstmals 1268 erwähnt; um 1300 gab es dort bereits 22 Beginen-Gemeinschaften. Neben den sesshaften Laienschwestern schlossen sich viele Beginen zu umher wandernden Gruppen zusammen.
Alternatives Lebensmodell
Durch den mit den Kreuzzügen einhergehende Frauenüberschuss blieben viele Frauen unverheiratet. Ein Großteil der Frauen suchte eine neue Heimat in den Klöstern. Aber diese Alternative erschöpfte sich bald, denn der Papst untersagte die Gründung neuer Frauenklöster. In dieser Zeit verbreitete sich die religiöse Bewegung der Beginen. Durch die Bulle „Gloria virginalis“ 1233 von der Kirche als Laienschwestern legitimiert, kam die Beginenbewegung dem Wunsch vieler Frauen nach Versorgung, Verwirklichung eigener Frauenfrömmigkeit und Hinwendung zu religiösen Lebensformen nach.
In den Beginenhöfen fanden die allein lebenden Frauen eine
Heimat, die weder in den Stand der Ehe noch in ein Kloster eintreten wollten. Unverheiratete Frauen hatten im Mittelalter so gut wie keine Rechte und so bildeten die Beginenhöfe eine alternative Wohn- und Lebensform, die Frauen eigenen Wohnraum, aber auch Gemeinschaft bot.
Herkunft des Namens
Seit den1240er Jahren wird der Name Beginen genannt. Allerdings wurde „Beginen“ von den Laienschwestern selbst erst im 15. Jahrhundert gebraucht, davor nannten sie sich ,,Schwestern“. Für den Namen Beginen gibt es verschiedene Deutungsansätze. So wird der Name zum einen auf den Lütticher Priester Lambert de Beghe (=Stammler) zurückgeführt, der im Jahre 1180 in Lüttich eines der ersten Beginenhäuser stiftete. Andere Quellen berufen sich auf die Heilige Begga – die Schutzpatronin der Beginen. Denkbar ist auch eine Ableitung des Namens Begine von der beigen Kleidung, die die Beginen zu tragen pflegten. Als eher unwahrscheinlich gilt die Ableitung vom mittelhochdeutschen Wort ,,beggan“, das bitten, betteln, beten bedeutet.
Gemeinschaft mit demokratischen Grundzügen
„Kloster, Asyl, Spital – von allen dreien ist er etwas, ohne eines ausschließlich zu sein. Er wäre ein Kloster – aber die Eintretenden leisten kein Gelübde; er wäre ein Asyl – aber der Eintritt ist an Bedingungen, sogar sehr äußerlicher Natur geknüpft, er wäre ein Spital – aber Jugend und Schönheit wohnen in ihm neben der Hinfälligkeit des Alters.“ So beschreibt Theodor Fontane seine Eindrücke beim Besuch eines Beginenhofes.
Die Beginenhöfen waren wirtschaftlich autonome Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften in mannigfaltiger Größe. So fand man in den Niederlanden und Belgien häufig Beginenkonvente (große Hofanlagen, die um eine kleine Kirche angelegt waren), während in Deutschland kleine Beginenhäuser vorherrschten. Jeder Beginenhof war souverän – er legte seine eigenen Regeln und Zielsetzungen fest. Ihr Leben, Arbeiten und Beten gestalteten die Beginen gemeinschaftsorientiert. Die Höfe wurde von einer Grande Dame oder einer Magistra, einer Meisterin geführt. Sie wurde aus der Beginen-Gemeinschaft gewählt und hatte ihr Amt für ein oder zwei Jahre inne. Die Meisterin vertrat die Gemeinschaft nach außen und verwaltete das gemeinsame Vermögen der Frauen.
Durch eigener Hände Arbeit
Beginen Iebten in religiöse Gemeinschaften – und sie lebten freiwillig arm und keusch. Der Wahlspruch ,,eine Jede möge sich durch Ihrer eigenen Hände Arbeit ernähren können“ bildete die Grundlage ihrer Gemeinschaft. Auch wenn viele Beginen wohlhabend waren, arbeiteten sie für ihren Lebensunterhalt und übten ihre Berufe innerhalb und außerhalb ihrer Gemeinschaft aus. Beginen arbeiteten im Bildungswesen, pflegten Kranke oder betätigten sich als Leichenwäscherinnen. Viele Siechenhäuser wurden von Beginen betreut. Großes Ansehen erwarben sie sich durch ihre Fertigkeiten in Textilberufen wie Tuchmacher und Wappensticker. Die Erlöse flossen in die Gemeinschaft, aber auch in die Armenversorgung und Krankenpflege.
Gelübde auf Zeit
Die Beginen waren in keinem Orden organisiert. Allein stehende Frauen und Witwen, die weder in den Stand der Ehe oder in ein Kloster eintreten wollten, schlossen sich zu religiösen Beginen-Gemeinschafien zusammen. Die als Laienschwestern bezeichneten Beginen legten nur ein Gehorsamsgelübde auf Zeit ab, das jährlich erneuert wurde. Sie kamen alleine oder mit ihren Kindern. Beginen sorgten durch ihrer eigenen Hände Arbeit für ihren Lebensunterhalt, widmeten sich aber auch dem Gebet und der Kontemplation.
Im Gegensatz zu dem in KIöstern lebenden Ordensschwestern war es den Beginen erlaubt, wieder aus der Gemeinschaft auszuscheiden und sich einem bürgerlichen Leben zuzuwenden. Ihr in die Gemeinschaft eingebrachtes Vermögen konnten die meist wohlhabend Frauen wieder mitnehmen.
Heilige und Mystikerinnen
Aus der Gemeinschaft der Beginnen sind zahlreiche Mystikerinnen hervorgegangen. Zu ihnen zählt neben Juliana von Liége (1193 – 1258), auf deren Initiative das Fronleichnamsfest zurückgeht, auch Christine von Stommeln (1242 – 1312). Sie hatte schon als Kind Visionen von Jesus, von ihrer Stigmatisierung mit den Wundmalen Jesu wird berichtet. Christine lebte zunächst als Begine in Köln, später in ihrem Geburtsort Stommeln. Eine weitere heilig gesprochene Begine ist die in Magdeburg geborene Mechthild von Helfta (1208 – 1294). Ihre mystischen Erfahrungen und Visionen hielt sie in Büchern fest, die zu den ersten Aufzeichnungen der deutschen Mystik zählen.
Beginen, Zünfte und Kirche
Die Beginen arbeiteten auf vielfältige Weise für die Städte und Gemeinden, in denen sie lebten. Im 13. und 14. Jahrhundert erlebten sie eine regelrechte Blütezeit. ,Als Handwerkerinnen und Unternehmerinnen strebten sie ökonomische Unabhängigkeit an. So gewannen sie zwar großen Einfluss auf das Glaubens- und Wirtschaftsleben ihrer Städte, aber Zünfte und Klerus sahen sie zunehmend als wirtschaftliche Konkurrenz. Zudem war ihr laienreligiöser Stand umstritten. Auf dem Konzil von Vienne (1311) entzog Papst Clemens V. den Beginen ihren laienreligiösen Status. Zunächst wurden die durch das Land ziehenden Beginen verfolgt, dann weitete man die Verfolgungen auch auf die in Beginenhöfen lebenden sesshaften Frauen aus. Vor allem im Rheinland litten die Beginen unter Verfolgungen. Erst ab 1325 erwarben sie in kleinen Schritten wieder ihre alten Rechte. Das sollte nicht lange währen! Nur knapp 100 Jahre später war es Papst Pius V., der die Beginen-Gemeinschaften mit den Worten ,,das ihre Art zu leben für immer verboten ist, und dass sie alle zusammen aus der Kirche Gottes ausgeschlossen sind“ endgültig verbot. Die meisten Beginen wurden exkommuniziert und ihre Besitztümer beschlagnahmt. In den folgenden Jahrzehnten ließ die Inquisition Beginen als Hexen verfolgen. Die noch verbliebenen Beginenhöfe wurden nach der Reformation aufgelöst.
Beginen heute
Eine ganz persönliche ,Autonomie, damit entwickelten die Beginen schon im Mittelalter eine ganz modernes Gemeinschaftsleben, unabhängig von der in dieser Zeit prägenden ständischen Gesellschaft.
Dieses Art des Gemeinschaftsleben hatte sich in Belgien bis in die Neuzeit erhalten. Kirchlich organisiert, existieren dort heute noch 20 Beginenhäuser. In verschiedenen europäischen Ländern, auch in Deutschland, scheint diese Art zu leben wieder neue Anhängerinnen zu finden, wie sich aus einigen in den letzten Jahren entstanden neuzeitlichen Beginenhöfen schließen lässt.