Rund um das Fest des roten Weines

Oktober

Rotweinfest vor der historischen Burgkirchenkulisse

„Um unseres Weines willen feiert unser Ingelheim alljährlich zur Herbsteszeit sein Heimatfest, Alt und jung huldigen an diesen Tagen dem köstlichen Roten, der dem Feste seinen Namen gibt.“ Mit diesen Worten eröffnete die Rotweinkönigin Karola I. (Wolf) im Jahre 1962 das Rotweinfest – und sprach damit wohl all jenen aus dem Herzen, die in den vergangenen Jahrzehnten zum Gelingen des Festes beigetragen haben.

Herbstimpression aus Ober-Ingelheim.
Herbstimpression aus Ober-Ingelheim.

Blicken wir doch einmal zurück! Der Ursprung des Rotweinfestes reicht nämlich weit in die Jahrhunderte zurück, in jene uns so fern scheinenden Tage, In denen keine Autos die Straßen füllten, sondern Pferdefuhrwerke über holprige Wege klapperten. Schon lange bevor die Ingelheimer ihr Weinfest feierten, gab es nämlich eine Ober-Ingelheimer Kerb, und die wurde traditionell am vierten Septemberwochenende abgehalten. Wann die Ober-Ingelheimer ihre Kerb zum ersten Male zelebrierten, liegt im Dunkel der Geschichte. Bekannt aber ist, dass die alljährliche Kirchweih anläßlich der Gründung des in der Rinderbach gelegenen St. Justus-Hospitals und seiner Kapelle ins Leben gerufen wurde.
Die Kerb war früher eine der Attraktionen im Laufe des Jahres. Alle Einwohner nahmen daran teil. Mittelpunkt der volkstümlichen Veranstaltung war der Ober-Ingelheimer Marktplatz: Hier drehte ein Karussell seine Bahnen, reges Treiben herrscht an den Zucker-und Wurfbuden. Aus Weinfässern baute man einen Triumphbogen. Die Gaststätten der umliegenden Straßen (1914 zählte man 25 Wirtshäuser allein in Ober-Ingelheim) boten Weine und Speisen feil.
Im Laufe der dreißiger Jahre schließlich wandelte sich die Kerb im südlichen Stadtteil. Die Organisatoren legten mehr Wert auf die Wein-Vermarktung und so hieß die Ober-Ingelheimer Kerb 1935 erstmals „Weinlesefest“, Den Festplatz verlegte man kurzerhand auf das Gelände zwischen Burgkirche und Malakoffturm und integrierte die historische Burgkirchenanlage als attraktive Kulisse. Zum ersten Mal wurde in Ingelheim eine Rotweinkönigin gekürt – Lotte Diefenbach aus der Ringgasse übernahm das ehrenvolle Amt. Höhepunkte des dreitägigen Weinlesefestes waren ein Weinfestumzug mit Krönung und die allabendliche Darbietung des Festspieles „Ritter – Reben – Roter Wein“ auf der Freilichtbühne. Die Burgkirche wurde illuminiert und auf den Festungswällen postierten Männer in historischen Trachten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Ingelheimer Bürgermeister Reg.-Präsident Dr. Georg Rückert die Idee des Weinlesefestes wieder auf. Aber ein Weinfest für alle Stadtteile Ingelheims sollte es nun werden – und eine Werbung für den heimischen Wein über die Grenzen der Stadt hinaus. Nach ausführlichen Beratungen mit Vertretern aller relevanten Gruppen lud die Stadt Ingelheim am vierten Septemberwochenende 1947 zu einem Winzerfest. Seinen Auftakt nahm das Fest am Weinbrunnen in Ingelheim-Mitte. Danach bewegte sich ein Festzug mit dem Festwagen der Rotweinkonigin Ruth I. und zahl reichen Motivwagen nach Ober-Ingelheim. In der Kirchstraße wurde das Fest ein zweites Mal eröffnet, umrahmt mit musikalischen und tänzerischen Beiträgen. Vereine und Privatleute aus allen vier Stadtteilen trugen zu dem bodenständigen Heimatfest bei. Problematisch war zu dieser Zeit noch die wirtschaftliche Lage Deutschlands. So wurde für das Fest eine auf 10000 Liter begrenzte Menge Wein freigegeben. Der Weinkommission oblag die undankbare Aufgabe einer gerechten Verteilung – und so gab es Wein nur auf Berechtigungsschein. Ausgeschenkt wurde der Wein in den Lokalen, aber jeder musste sich Gläser und Flaschen selbst mitbringen, 1948 floss der Wein wieder in unbegrenzten Mengen und auch sonst gab es allerlei Neuerungen bei dem in der Bevölkerung so begeistert aufgenommenen Fest. Erstmals wird der Name „Rotweinfest“ erwähnt, der in Laufe der Jahre zum Markenzeichen Ingelheimer Gastlichkeit werden soll. Das Fest wurde zunehmend attraktiver gestaltet. Eine Weinlotterie lockte mit Weinpräsenten. Festabzeichen. Unzerbrechliche Trinkgläser mit dem Burgkirchenmotiv ließen die Sammlerharzen höher schlagen und ein Festbüchlein erfreute die Bevölkerung. Der Festzug schlug alle Rekorde und ging mit 16 Motivwagen und zahlreichen Fußgruppen in die Annalen als der größte Festumzug in Rheinland-Pfalz nach dem Krieg ein.
Premiere hat 1948 auch eine „Rotweinprobe“, die von Experten als die größte Rotweinprobe bezeichnet wird, die je in Deutschland stattgefunden hat. Das Rotweinfest lockte viele Auswärtige in die Stadt. Der „Halbe“ kostete in dieser Zeit gerade mal 60 Pfennige und der Eintritt auf den Festplatz eine Mark (inklusive Glas).
In den folgenden Jahren dehnte sich der Festplatz immer weiter aus. So zog man 1951 von der Kirchgasse auf das Gelände hinter der Burgkirche um. Dieser Standort hat sich bis heute gehalten. Einen Festumzug durch alle vier Stadtteile behielten die Organisatoren noch einige Jahre bei, aber bei der Eröffnungs- und Krönungszeremonie beschränkte man sich mittlerweile auf Ober-Ingelheim.
Gefeiert wurde immer länger – aus einem Rotweinfest-Wochenende wurden zwei, nach und nach schloss man auch die Wochentage dazwischen ins Festprogramm mit ein. Dem Ingelheimer Abend, einem Abend mit Tanz für junge Leute und Veranstaltungen mit Musikkapellen aus der Region folgten bald die Stargastabende, auch die Freunde aus den Ingelheimer Partnerstädten fanden sich zum Ingelheimer Rotweinfest ein. So entwuchs das Fest langsam seinen Kinderschuhen – aus dem volkstümlichen von örtlichen Vereinen gestalteten Weinfest wurde ein internationales Begegnungsfest im Zeichen des Weines. An Attraktivität gewann das Rotweinfest, sicher auch mit dem 1976 eingeführten verkaufsoffenen Sonntag, der inzwischen zu einem wahren Publikumsmagnet geworden ist.