Georg Forster – ein Pionier wissenschaftlicher Reiseliteratur

Als der junge Georg Forster 1777 sein Buch „A voyage around the world“ in London veröffentlichte, hörte die Fachwelt auf. Wer war dieser 23 Jahre alte Mann, der in so eigenwilligem Stil die zweite Weltumseglung Cooks dokumentierte? Eine detaillierte Reisebeschreibung, so nachhaltig geschildert und ebenso interpretiert, hatte bisher noch niemand gelesen. Als das Buch in deutscher Bearbeitung mit dem Titel „Reise um die Welt“ zwei Jahre später in Berlin dem deutschen Publikum vorgelegt wurde, bezeichnete es der Dichter Christoph Martin Wieland „als eines der merkwürdigsten Bücher“ seiner Zeit – und doch sollte die ,,Reise um die Welt“ als eine der bedeutsamsten Reisebeschreibungen in die Geschichte der Literatur eingehen.
Niemand hätte Cooks epochale Entdeckungsreisen besser beschreiben, sie mit all ihren Merkwürdigkeiten erfassen können als der junge Georg Forster. Sein Werk wurde Vorbild für eine neue literarische Form, den wissenschaftlich fundierten Reisebericht. Eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass Georg Forster diese Reise im Alter von siebzehn Jahren erlebt und mit erst knappen zwanzig Jahren niedergeschrieben hat. Was war das für ein Mensch, der hinter diesem Schaffen steckte?

Der junge Georg Forster eifert seinem Vater nach …

Georg Forster, gemalt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Bild aus Wikipedia; gemeinfrei).
Georg Forster, gemalt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Bild aus Wikipedia; gemeinfrei).

Als Sohn eines Pfarrer wurde Georg Forster am 26. November 1754 in Nassenhuben bei Danzig geboren. Mit Sicherheit war es die Person seines Vaters, die sein Leben nachhaltig prägte. Der unzufriedene, des eintönigen Lebens überdrüssige Dorfpfarrer Johann Reinhold Forster lag ständig im Streit mit seinem Landesherrn. Für die Rechte der Bauern trat der Gerechtigkeit liebende Pfarrer bei jeder Gelegenheit ein. Die Missstände der sozial Schwachen zu bessern, war ein Ziel des energischen Johann Reinhold Forster. So lag es auch nahe, dass er 1765 einen Auftrag in Russland annahm – er sollte die neu angelegten deutschen Kolonien an der Wolga auf ihre Entwicklungsmöglichkeiten hin untersuchen. Zudem konnte er der ihn einengenden Heimat entfliehen. Auf diese abenteuerliche Reise nahm der alte Forster kurzerhand seinen erst zehnjährigen Sohn Georg mit, einen aufgeweckten und lernfreudigen Kerl, der sich schon durch die Betrachtungsweise seines Vaters zu den Beziehungen zwischen Mensch, Natur, Landschaft und Geschichte hingezogen fühlte.
In St. Petersburg machten die Auswertungen der Erkundungen einen längeren Aufenthalt notwendig und Georg Forster besuchte hier für sieben Monate – übrigens der einzige Schulbesuch seines Lebens – eine russische Schule und erlernte in kurzer Zeit die russische Sprache. Johann Reinhold Forsters Untersuchungen jedoch war in Russland kein Erfolg beschieden, die Bürokraten bei Hofe zeigten wenig Interesse für seine Vorschläge.

In England wartet eine große Herausforderung auf Johann und Georg Forster

Enttäuscht, von seinen Auftraggebern verkannt und verbittert zogen Vater und Sohn aus Russland ab. Sie reisten nach London, getragen von der Hoffnung, im Land der konstitutionelle Monarchie und bürgerlichen Freiheiten einer ihrer bürgerlichen Anschauungen entsprechende Existenz zu finden. Die in Nassenhuben zurückgelassene Familie fristete ihr Leben unterdessen vom Verkauf der familieneigenen, wertvollen Bibliothek. Aber auch in London blieben Johann Reinhold Forster zunächst Aufträge und Erfolg auf naturwissenschaftlichem Gebiet versagt. Vielmehr sorgte sein Sohn Georg, ein wahres Sprachgenie, für den Unterhalt. Er übersetzte russische, deutsche und französische Schriften ins Englische. 1767 konnte er bereits sein erstes Buch herausbringen, eine Übersetzung von Lomonossows „Kurzer russischer Geschichte“ aus dem Russischen ins Englische. Für diese wissenschaftliche Leistung wurde der erst 13-jährige Georg Forster von der Londoner Society of Antiquaries ausgezeichnet.
Vier Jahre später sollte die größte Herausforderung ihres Lebens auf die beiden Forsters zukommen. Eigentlich war geplant, dass der englische Naturwissenschaftler Sir Joseph Banks, wie schon bei Cooks erster Weltumseglung, die naturwissenschaftliche Begleitung übernehmen. Aber Joseph Banks überwarf sich mit der britischen Admiralität und so wurde zwölf Tage vor der Ausfahrt zur zweiten Cookschen Weltumseglung ein neuer Naturforscher gesucht. Die Wahl fiel auf den Deutschen Johann Reinhold Forster. Er nahm den Auftrag, die zweite Weltumseglung von James Cook wissenschaftlich zu begleiten, natürlich an. Er sah darin seine Chance, endlich jenes so lang ersehnte wissenschaftliche Ansehen zu erlangen. Zudem konnte er durchsetzen, dass sein Sohn Georg ihn als Assistent begleitete.

Auf in den Pazifik!

Am 13. Juli 1772 machten sich Johann Reinhold und Georg Forster auf, um mit auf der „Resolution“ die Welt zu umsegeln. Drei Jahre sollte diese Reise währen, die Vater und Sohn in die Welten des Pazifischen Ozeans brachte. Auf der Suche nach dem Südland drangen sie so weit nach Süden vor, wie kein Mensch je vor ihnen. Gigantische Eisberge, riesige Eisinseln boten den Seefahrern und Forschern unvergessliche Anblicke, faszinierend und bedrohlich zugleich. Georg Forster schrieb: „Schwere Hagel- und Schneeschauer verdunkelten die Luft beständig und ließen uns den belebenden Blick auf die Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir sehen stündlich große Eis-Inseln in allen Gegenden um uns her, so dass ihr Anblick uns nun schon eben so bekannt und gemein wurde als Wolken und See.“ Gleichsam faszinierte den jungen Georg Forster die Inselwelt Ozeaniens, die er in seinem Werk detailliert beschreibt. Er sucht das Fremde zu erfassen, sucht es zu interpretieren, stellt Beziehungen zwischen den Menschen, der Natur und der Landschaft her. Einflüsse auf diese Betrachtungsweise sind sicherlich in der Russland-“Expedition“, die Georg Forster schon als Zehnjähriger mit seinem Vater unternommen hat und bei den Philosophen seiner Zeit wie beispielsweise Jean-Jacques Rousseau zu suchen.
Wie kam es aber, dass Georg Forster zum Verfasser eines Werkes wurde, das eigentlich der Stellung gemäß seinem Vater gebührte? Da spielten sicherlich viele Faktoren eine Rolle. Einer der Hauptgründe aber war, dass Johann Reinhold Forster mit seinem starrsinnigen Stolz nicht bereit war, sein Manuskript von der Admiralität korrigieren und zensieren zu lassen. Nun bot sich Georg Forster, der in jungen Jahren schon mit seiner Lomonossow-Übersetzung von sich reden machte, eine überraschende Gelegenheit, sich auf literarischem Gebiet zu bewähren.
In nur zwei Jahren mit „Hinansetzung seiner Gesundheit“ – so schrieb er später – verfasste er aus seinen Tagebüchern unter Hinzuziehung der Aufzeichnungen seines Vaters und Cooks das Werk „A voyage around the world“.
Mit „A voyage around the world“ entsprang ein Werk seiner Feder, das die Vorstellung von wissenschaftlichen Abhandlungen sprengte. Sachliche Schilderungen wechseln mit epischen Erzählformen, verbinden philosophische Betrachtungen mit wirklichkeitsgetreuen Schilderungen, in deren Mittelpunkt immer wieder der Mensch steht. Die Welt hörte auf, war gleichermaßen beeindruckt und erstaunt über Georg Forsters Schaffen. Dafür wurden ihm zahlreiche Würdigungen zuteil: 1776 wurde er ordentliches Mitglied der geachteten Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin und der Königlichen Akademie der Arzneigelehrsamkeit zu Madrid, auch wurde er im gleichen Jahr als Mitglied der Royal Society zu London vorgeschlagen und am 9. Januar 1777 aufgenommen. So kam dem jungen Georg Forster ungleich mehr Publizität zu als seinem Vater, dem sicher als Mentor seines Sohnes und wissenschaftlicher Berater auch ein geistiger Anteil an dem Werk zuzuschreiben ist. Für Johann Reinhold Forster blieb die ersehnte wissenschaftliche Ernennung nach der Weltumseglung aus. Zwar wurde er dem König vorgestellt und erfuhr einige Auszeichnungen, aber er fühlte sich doch um den schriftstellerischen Ertrag der Reise betrogen.
Die Erlebnisse der Reise prägten Georg Forster nachhaltig. Nach der Veröffentlichung seines Buches kehrte er nach Deutschland zurück. 1778 wurde er Professor in Kassel, später in Wilna. 1788 übernahm er das Amt eines Bibliothekars in Mainz. Mit Alexander von Humboldt pflegte er eine tiefe Freundschaft.

Georg Forster und die Mainzer Republik

Nach der französischen Eroberung von Mainz im Jahre 1792 trat Georg Forster dem Jakobinerclub bei. Als Vizepräsident des Rheinisch-deutschen Nationalkonvents reiste er 1793 nach Paris, um dort über den Anschluss der Mainzer Republik an Frankreich zu verhandeln. In Deutschland als Vaterlandsverräter geächtet, starb er am 11. Januar 1793 in Paris.