„Mr. Rheinhessen“: Carl Johann Brilmayer

In diesem Jahr würde der Heimathistoriker Carl Johann Brilmayer seinen 175. Geburtstag feiern. Er erblickte am 29. März 1843 in Bingen das Licht der Welt. Brilmayer ist Spross einer alten eingesessenen Binger Schifferfamilie. Sein wohlhabendes Elternhaus ermöglichte ihm den Besuch des Gymnasiums und ein Studium der Theologie und Philosophie. Damit legte er die Grundlage für sein späteres Wirken als Pfarrer, Pädagoge und Historiker…

Ein außergewöhnlicher Mensch

Carl Johann Brilmayer. Foto: Archiv Carl-Brilmayer-Gesellschaft

Zum einen war Brilmayer von ganzen Herzen Pädagoge und er verstand es, seine Schüler zu begeistern. So wird ihm in einer Belobigung bescheinigt, dass er „sich die Hochachtung, das Vertrauen und die Liebe seiner Schüler in hohem Grade verdiente und stets in bestem Einvernehmen mit seinen Vorgesetzten und Mitlehrern stand“.
Carl Brilmayer erkannte und bekämpfte soziale Not – und er war ein Mittler, der immer wieder Mut bewies. Mit einem ruhigen, ausgleichenden Wesen suchte er in seinem Amt als Priester und Religionslehrer stets Lösungen und Kompromisse – gerade in Zeiten des Kulturkampfes eine segensreiche Gabe.
Und Carl Brilmayer war ein begeisterter Historiker, einer, der sich mit seiner unmittelbaren Heimat auseinandersetzte, vieles neugierig hinterfragte, Fakten zusammenbrachte und aufzeichnete.

Historisches Interesse erwachte in Gau-Algesheim
Seine beruflichen Tätigkeiten führten ihn zunächst als Kaplan nach Schwabenheim, dann als Lehrer an das bischöfliche Progymnasium nach Dieburg. 1876 wurde Brilmayer nach Gau-Algesheim versetzt und zwar als Lehrer und Verwalter in der „Aljesemer Hochschul“, wie die Lateinschule im späteren Kronenberger Hof von den Gau-Algesheimern genannt wurde. Zusätzlich war er in der Seelsorge tätig und übernahm ab 1880 den Gottesdienst in Appenheim sowie Ober- und Nieder-Hilbersheim. Sechs Jahre lang sollte er hier wirken – als Lehrer und Seelsorger. In dieser Zeit lernte er Gau-Algesheim und seine Menschen gut kennen. Verbunden mit der hiesigen Bevölkerung nahm er großen Anteil an ihrer Geschichte und begann, die Historie Gau-Algesheims niederzuschreiben. Archive, Bücher, aber auch viele mündliche Überlieferungen bildeten die Grundlage zu diesem Werk. So widmete er auch 1883 seine erste umfassende historische Schrift der Geschichte von Gau-Algesheim, verbunden mit dem Zusatz „aus gedruckten und ungedruckten Quellen bearbeitet“.

Ein Pionier der regionalen Geschichtsschreibung
Carl Brilmayer war es wichtig, das alltägliche Leben auf dem Land, in den kleinen Gemeinden zu beobachten und niederzuschreiben. Man kann sagen, er war in dieser Art der Geschichtsschreibung ein Pionier, denn bisher interessierte in der Historie nur die „große“ Geschichte, die der Herrscher und des Adels.
So schreibt Brilmayer im Vorwort seienr „Geschichte von Gau-Algesheim“: „Auch wenn nur die Schicksale eines kleinen Landstädtchen im Laufe der Jahrhunderte erzählt werden, so ist es immerhin ein Beitrag zur Geschichte unseres engeren Vaterlandes und gewiss wird sich mancher freuen, nähere Kunde zu hören aus vergangener Zeit über den Ort, wo einstens seine Wiege gestanden.“

Berufliche Karriere
1883 erfolgte die Ernennung Carl Brilmayers zum Kreisschulinspektor. Eine Entscheidung, die Aufsehen erregte. Carl Brilmayer war damit der einzige katholische Priester, der in dieser noch vom Kulturkampf geprägten Zeit eine so hochrangige Staatsstellung in Hessen bekleidete.
Auch in seinen Jahren als Kreisschulinspektor in Mainz setzte Carl Brilmayer seine historischen Studien fort. Noch immer galt sein großes Interesse den kleinen rheinhessischen Gemeinden. Zugute kam ihm, dass er als Kreisschulinspektor bei seinen Schulvisitationen diese regelmäßig bereiste.
Er schrieb zahlreiche Abhandlungen, verfasste Orts- und Pfarrgeschichten, die, so mutmaßt der Heimathistoriker Anton Brück, zum Teil anonym im „Mainzer Journal“ erschienen. All seine historischen Aufsätze waren Vorarbeiten zum Hauptwerk „Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart“, an dem Brilmayer über viele Jahre hinweg arbeitete.

„Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart“
Zwei Monate vor seinem Tod, im September 1905, erschien sein großes Werk „Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart“ im renommierten Gießener Verlag Emil Roth.
Überschwänglich bewirbt der Verlag das Buch: „Brilmayers Rheinhessen ist ein ganz hervorragendes Werk auf dem Gebiet der lokalen Geschichtsschreibung. Alle Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Burgen und Klöster der Provinz, bestehende wie ausgegangene, werden in dem Buch behandelt.[…] Somit empfiehlt sich das Buch nicht nur für die Bewohner Rheinhessens und des Großherzogtums, sondern es wird wegen seines interessanten Inhalts auch weit über die Grenzen Hessens hinaus freundliche Aufnahme finden.“
Ohne Frage, es ist ein großartiges Werk – und das Besondere daran ist die Herangehensweise Brilmayers: Er hat nicht nur schriftliche Überlieferungen wie Akten und Urkunden zu seiner Forschung herangezogen, vielmehr hat er sie mit den mündlichen Überlieferungen damaliger Zeitzeugen ergänzt.
Sie sehen, eine äußerst moderne Herangehensweise.
So avancierte Carl Brilmayer zum Vorbild für ihm nachfolgende und äußerst renommierte Kunsthistoriker wie Georg Dehio oder Christian Rauch, die für ihre regionalen kunsthistorischen Werken mit Sicherheit Brilmayers Rheinhessen-Buch als Grundlage verwendeten.
Zudem hat Brilmayer mit seinem Rheinhessen-Buch viel zur Identitätsbildung und dem historischen Bewusstsein der Region beigetragen.

Prof. Dr. Helmut Mathy schreibt in einer Neuauflage auch noch 80 Jahre nach der Ersterscheinung daher völlig zu Recht: „Jeder Heimatforscher, aber auch jeder, der an der Geschichte seiner Stadt oder seines Ortes in Rheinhessen Interesse zeigt, braucht auch heute noch zur ersten Information[…], das umfangreiche Buch von Carl Johann Brilmayer. […] vieles an diesem Buch ist einmalig und unverzichtbar geblieben.“